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Mythen und Märchen der Forstindustrie in Britisch Kolumbien

 

       
   

Kanadas sorgsam gepflegtes Image vom einzigartigen Naturerlebnis mit endlosen, urwüchsigen Landschaften und "wilden Tieren" schwindet so schnell wie seine Urwälder. Denn nicht nur im temperaten Regenwald an der Westküste, auch in den borealen Urwäldern des Nordens zerstückeln immer mehr Kahlschläge die empfindlichen Ökosysteme. Selbst entlang viel befahrener Tourismusrouten kann die zernarbte Landschaft heute nur noch mühsam hinter schmalen Waldstreifen verborgen werden.

Die zunehmend kritischen Anfragen potentieller Touristen sowie internationale Proteste haben Regierung und Holzindustrie aufgeschreckt. Sie investieren seither viele Millionen Dollar in Marketing- und Werbekampagnen, die nach Ansicht der Waldschützer letzlich nur Desinformations- und Vertuschungskampagnen darstellen.

Als "Brasilien des Nordens" bezeichnen kanadische Umweltorganisationen den staatlich geförderten Raubbau der Holzkonzerne an der wirtschaftlichen und natürlichen Zukunft der Nation. In Sachen Energieverbrauch und Schwefeldioxidausstoß pro Kopf ist Kanada seit Jahren Weltmeister unter den Industrienationen. Nun gilt es auch als die Nummer eins in Sachen Naturverbrauch.

Das Tempo der Raubbaus ist atemberaubend: Weit mehr als die Hälfte der Bäume, die jemals in Kanadas Regenwälder gefällt wurden, sind nach 1967 eingeschlagen worden.

Ob die von den "Partnern in der Waldnutzung" vorgebrachten Argumente (kursiv rot dargestellt) auch einer kritischen Nachfrage standhalten, oder sich als fadenscheinige Mythen entpuppen, soll die folgende Gegenüberstellung zeigen:

 


 

           

"Kahlschlag ahmt die natürlichen Prozesse der Walderneuerung nach"

Eines der typischen Merkmale der temperaten Regenwälder ist das weitgehende Fehlen großflächiger Waldbrände. Aus diesem Grund konnten sich jahrhunderte bis jahrtausende alte Urwälder entwickeln, deren Artenvielfalt auf kleinräumigen Lichtungen im Kronendach (durch natürliche Alterungsprozesse, Windwurf, Insektenbefall, etc.) beruht. Doch auch in Wäldern im Landesinneren, in denen Feuer Bestandteil der natürlichen Waldentwicklung sind, hinterlassen sie keine kahlen Flächen, verdichten keine Böden und versanden keine Bäche. Während durch natürliche Störungen ein vielfältiges Mosaik aus abgestorbenen und überlebenden Bäumen entsteht, führen Kahlschläge zur Zerstörung dieser komplexen Ökosysteme. Im einen Fall bleibt das tote Holz als Nährstofflager im Wald, Flora und Fauna im Waldboden bleiben erhalten und ermöglichen eine allmähliche Selbstregeneration. Im anderen Fall wird das Holz abtransportiert oder verbrannt, das Ökosystem Urwald also vollständig entfernt. An die Stelle der strukturreichen Urwälder treten gleichaltrige Forsten oder kahle Flächen, wo die Wiederaufforstungsversuche scheitern.

 

       
"Hast du den Ersatz griffbereit?"
           " Hast du den Ersatz griffbereit? "

"Was wir entnehmen, geben wir zurück"
"Alle abgeholzten Flächen werden wieder aufgeforstet"

Bäume kann man anpflanzen, Urwälder nicht!
Auch eine erfolgreiche Neuanpflanzung ist Jahrhunderte später noch kein Urwald - den nächsten Kahlschlag plant die Forstindustrie in Britisch Kolumbien allerdings schon in 80 bis 120 Jahren!

Der Forstbericht von Britisch Kolumbien weist für 1994/95 mehr als 10000 Quadratkilometer (die Einschlagfläche von ca. 5 Jahren) als "nicht ausreichend bestockt" aus. Unter dieser Zahl sind sowohl fehlgeschlagene Wiederaufforstungen als auch neue und noch nicht wieder bepflanzte Kahlschläge zusammengefasst. Doch ein Vergleich der jährlichen Einschlagrate von ca. 190000 Hektar mit der 1 Mio. Hektar nicht ausreichend bestockter Fläche läßt klare Rückschlüsse auf die Probleme bei der Wiederaufforstung zu.

 
 

Eine Verringerung der Bodenproduktivität durch Erosion und Erdrutsche sowie die Verschlechterung des Kleinklimas (höhere Windgeschwindigkeiten, größere Temperaturschwankungen) sind typische Gründe für fehlgeschlagene Aufforstungsversuche auf den Großkahlschlägen. Darauf deuten auch die von 1994/95 (24000 ha) gegenüber 93/94 (13000 ha) deutlich angestiegenen Flächen mit fehlgeschlagenen Wiederaufforstungen hin. Und das trotz jährlich 250 Millionen gepflanzter Setzlinge.

 


"Es sind bereits ausreichend Urwälder geschützt"

In Übereinstimmung mit dem Brundtland-Bericht von 1987 verpflichtete sich die Provinzregierung von Britisch Kolumbien, bis zum Jahr 2000 zwölf Prozent der Landesfläche unter Schutz zu stellen. Kein Grund zur Freude, denn zwölf Prozent geschützte Fläche bedeutet nicht etwa den repräsentativen Schutz von Ökosystemen.

Die überwiegende Zahl der neuen Schutzgebiete liegt in Gegenden, an denen die Holzkonzerne wenig Interesse zeigen: Alpine Bergwiesen, vergletscherte Gebirgszüge, Bergwälder. Von den mehr als 167 neuen Schutzgebieten seit 1993 liegen 68% im montanen oder submontanen Bereich, und weniger als ein Prozent schützt die holzwirtschaftlich profitabelsten Wälder der Tieflagen.

Berücksichtigt man weiterhin, daß derzeit etwa 50% der Landesfläche von Britisch Kolumbien unerschlossen sind ("in a wilderness state"), und viele der bisherigen Schutzgebiete von Kahlschlägen und Neuanpflanzungen umgebene Restbestände sind, steht zu befürchten, daß die 12%-Lösung der Regierung weit mehr Urwald zerstören als schützen wird.
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Forstindustrie und Regierung informieren: 12% is for you - 88% is for us
   


"Die besondere Stellung der indigenen Nationen wird anerkannt"

Nur winzige Gebiete Britisch Kolumbiens wurden von den indianischen Völkern durch Verträge an die eurokanadische Regierung abgetreten - und gingen so auf der Grundlage der Royal Proclamation von 1763 rechtmäßig in kanadischen Besitz über.

Dennoch sind den indianischen Nationen nur 0,4% der Landesfläche in kleinen Reservaten geblieben; auf den übrigen 99,6% entscheiden die Provinzregierung und transnationale Konzerne über Ob und Wie der Nutzung - ein Verstoß gegen das Völkerrecht und die eigene kanadische Verfassung. Deshalb fordern viele der indigenen Nationen die Rückgabe zumindest eines Teils ihrer angestammten Gebiete.

Während die angerufenen (kanadischen!) Gerichte betont langsam über die Landrechtsfragen beraten, werden in den umstrittenen Gebieten weiterhin Urwälder abgeholzt, Staudämme gebaut oder auch Schutzgebiete eingerichtet - fast immer über die Köpfe der Indigenen Nationen hinweg.

Immer wieder wird versucht, die schwierige wirtschaftliche und soziokulturelle Situation der Indigenen Nationen zur Durchsetzung der eigenen Interessen auszunutzen. Regierung und Industrie bieten wirtschaftliche oder finanzielle "Beteiligungen" an der Rohstoffausbeutung an, ohne den Status Quo, die Kontrolle von Provinzregierung und Holzindustrie über das Wie, Wo und Wieviel des Einschlags, anzutasten.

 

 

   

"Die Holzwirtschaft ist lebenswichtig für Britisch Kolumbien"

Während die multinationalen Holzkonzerne weiterhin Millionengewinne einstreichen und immer weniger davon im Land reinvestieren, wurde in den letzten zehn Jahren jeder vierte Arbeitsplatz in der Holzindustrie wegen Automatisierungen und Überkapazitäten abgebaut - dem Raubbau an den Urwäldern folgt die soziale Katastrophe in den ländlichen Gemeinden. Die einseitige Subventionierung großer Konzerne benachteiligt die kleinen Betriebe und blockiert die wirtschaftliche Weiterentwicklung und Stabilisierung der Gemeinden.

Urwälder und Holzwirtschaft könnten dennoch nebeneinander existieren. Wenn die Gemeinden statt der Konzerne die Kontrolle über ihre Wälder hätten, würden Raubbau und Verschwendung bald ein Ende haben. Wenn es verbindliche Richtlinien für eine naturnahe, nachhaltige Waldnutzung gäbe und diese von der Regierung kontrolliert und durchgesetzt würden, wären die Wirtschaftswälder gesünder und langfristig ertragreicher. Wenn das Holz vor Ort weiterverarbeitet werden würde, wären die Arbeitsplätze vielfältiger und erfahrungsgemäß auch sicherer. Insgesamt wäre unter diesen Voraussetzungen der Flächenverbrauch der Holzindustrie geringer.

Somit könnten die restlichen Urwälder unter Schutz gestellt werden, ohne daß die Holzwirtschaft wegen "Rohstoffmangels" Einbußen hinnehmen müßte.

 

 

 

 

Kahlschlag vor dem Forstgesetz

Kein Kahlschlag mehr - laut Definition im Forstgestz

 

"Das Forstgesetz garantiert Weltklasse-Standards beim Einschlag der Wälder in Britisch Kolumbien"
... heißt es seit 1995

Der Raubbau am Regenwald geht unvermindert weiter. Trotz des 1995 verabschiedeten neuen Forstgesetzes werden weiterhin 92% der von den Holzkonzernen abgeholzten Flächen kahlgeschlagen. Urwälder werden immer noch unwiederbringlich zerstört. Denn: Die jährliche Einschlagrate blieb nahezu unverändert. Die vielzitierte Beschränkung der Kahlschlaggröße auf 40-60 Hektar hat somit dazu geführt, dass nun viele "kleine" Kahlschläge die Urwälder noch schneller fragmentieren als zuvor.

Es bleibt also in Bezug auf die Kahlschlagpolitik in Britisch Kolumbien (fast) alles beim Alten. Gewachsen sind lediglich die Anzahl auszufüllender Formulare und die Ausgaben der PR-Abteilungen von Provinzregierung und Forstindustrie. Eine naturverträgliche Waldwirtschaft, die Urwälder und Arbeitsplätze vor Ort auch langfristig erhält, wird das Forstgesetz in seiner jetzigen Form jedoch nicht fördern.

Details zum Forstgesetz von 1995:
Lang war die Liste der Verbesserungen, die die Provinzregierung von Britisch Kolumbien bei der Einführung des neuen Forstgesetzes (Forest Practices Code, FPC) 1995 ankündigte: Großflächige Kahlschläge seien Fehler der Vergangenheit, von nun an werde in Britisch Kolumbien Forstwirtschaft mit Weltklasse-Standards betrieben. Die maximale Größe der Kahlschläge sei nunmehr auf 40 bis 60 ha begrenzt.
In sensiblen Gebieten - entlang von Laichgewässern etwa, oder an steilen Hängen mit Erdrutschgefahr- seien Kahlschläge in Zukunft sogar gänzlich verboten. Auch entlang der Fließgewässer sollten breite Schutzstreifen die sensiblen Uferbereiche als Lebensraum zahlreicher Tierarten besser schützen als bisher, und Verstöße gegen das neue Gesetzeswerk sollten von nun an mit hohen Geldstrafen (max. 1 Mio. CAN$) geahndet werden.
Ein kritischer Blick hinter die Blickschutzstreifen entlang vielbefahrener Straßen macht jedoch deutlich, daß auch im neuen Forstgesetz vielversprechende Formulierungen den politischen Entscheidungsträgern wichtiger gewesen zu sein scheinen als tatsächliche Verbesserungen: Weder eine drastische Kürzung der jährlichen Einschlagrate (die in manchen Regionen mehr als 50 % über dem Wert liegt, der vom Forstministerium als langfristig nachwachsende Holzmenge angenommen wird) noch eine Reform des maroden Lizenzsystems sind in Sicht. Kahlschläge sind auch diesem Forstgesetz nicht generell verboten, obwohl sie nachweislich nicht die natürlichen Prozesse im Wald nachahmen.

 

 

 

 
 

 


Text:  ArbeitsKreis nördliche Urwälder (AKU)    -    Cartoons: Unbekannt

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